Gradierwerk Kevelaer
Meeresbrise am Niederrhein
Als Wallfahrtsstadt ist Kevelaer traditionell dem Tourismus verbunden. Waren es früher vor allem Reisegruppen, die an den Niederrhein kamen, sind es heute eher Individualtouristen, die es zu Gnadenkapelle und Marienbild zieht. Schon 1992 entdeckte man bei Bohrungen eine Solequelle im niederrheinischen Wallfahrtsort. Doch erst zwei Jahrzehnte später konnte sich die Stadt dazu durchringen ein angemessenes Nutzungskonzept für das salzhaltige Wasser aus der Tiefe umzusetzen. Galt es doch die traditionsreiche Wallfahrt mit einem sich ständig verändernden Reiseverhalten und einer klassischen Kuranwendung zu verbinden.
Jakobsmuschel als Vorbild
Entstanden ist der Pilger- und Solepark „St. Jakob“ unter dem Motto „Gesund an Leib und Seele“. Zentraler Kern ist ein neues, von Architekt Peter Grund aus Kassel entworfenes Gradierwerk.
Grundriss und Dach nehmen die Form einer Jakobsmuschel auf. „Das hat sicher nicht zufällig mit der Stadt Kevelaer als Wallfahrtsstadt zu tun“, erklärt Peter Grund, „zielt jedoch im Ergebnis auf ein nachhaltiges Alleinstellungsmerkmal im Zeitalter fortlaufender baulicher Kannibalisierung ab.“
Bauwerk nach „altem Wissen“
Im Wesentlichen besteht das Gradierwerk aus dem Solerückhaltebecken, dem bedornten Holzbauwerk, den Dächern, zwei Holztürmen und der Soletechnik. Das Solerückhaltebecken aus wasserundurchlässigem und salzresistentem Beton bildet mit entsprechend angeordneten Fundamentstreifen den tragfähigen Grund für die Holzkonstruktion. Letztere setzt sich aus mehreren Haupt- und Nebenrahmen zusammen, die über Holzschwellen die Last in die Streifenfundamente abtragen. Ausfachungen aus Schwarzdorn-Bündeln zwischen, vor und hinter den Rahmen wurden in die gewünschte Form geschnitten. Schutz vor Regen- und damit auch vor Süßwasser bietet ein aus fünf im First fallenden, einzelnen Satteldächern bestehendes Dach oberhalb der Rähmbalken. Hier findet sich auch der Wartungsgang für die Berieselungsanlage. Erschlossen wird der Wartungsgang über den nördlichen Turm, während der östliche Turm die Haustechnik samt Pumpentechnik und -sumpf sowie Frischwasser- und Stromanschluss beherbergt. Ein an der Ostseite des Gradierwerkes angeordneter „Abdrift-Pavillon“ erfüllt gleich mehrere Funktionen. Zum einen verhindert er die Abdrift der mit Salz angereicherten Luft durch West- und Südwestwinde, zum anderen ermöglicht er im Innenraum des Gradierwerkes ein humides und kühles Sole-Kleinklima.
An der Westseite fällt die Sole über die Dornen des Schwarzdorns auf fünf Rieseltische nieder. Sonnenstrahlung und warme Luft sorgen für zusätzliche Verwirbelung. Dadurch entsteht hier ein mild-feuchtes Klima.
Meeresähnliche Kleinklimazonen
Form und Konstruktion des Gradierwerkes ermöglichen viele „meeresähnliche Kleinklimazonen“ auf kleinstem Raum. Um diese im richtigen Umfeld zu erleben, ist das 12 Meter hohe Gradierwerk von einem Park mit zahlreichen Ruhezonen umgeben. Neben Ruhe und Entspannung bietet der Solepark zudem Kneipp-Anwendungen, einen Barfußpark, einen Bibelgarten sowie zwei Boule-Bahnen und ein Beachvolleyball-Feld für die Pilger und Besucher der Stadt.
Besondere Beanspruchung für die Baustoffe
Während einerseits die mit Salz angereicherte Luft den Atemwegen der Besucher gut tut, verlangt sie andererseits vorausschauenden Materialeinsatz. Denn obwohl man sich direkt am Unteren Niederrhein befindet, müssen die Baustoffe seewasserbeständig sein. Holz ist in der Regel ziemlich robust gegenüber salzhaltiger Luft und wird durch den hohen Salzgehalt eher noch besser konserviert. Bei den Solerückhaltebecken aus Beton sorgt eine zusätzliche Beschichtung für ausreichende Widerstandsfähigkeit. Hier wurde zudem auf eine ausreichende Überdeckung der Bewährung geachtet. Bei den fünf aneinandergereihten Satteldachflächen kam eine seewasserbeständige Kunststoff-Dach- und Dichtungsbahn zum Einsatz.
Salzwasserbeständige Abdichtung
Auf diese Abdichtung ist Peter Grund im Rahmen der Sanierung eines Gradierwerkes in Remscheid-Lennep gestoßen. Hier galt es vorhandene Soleauffangbecken aus Holz zu erhalten und aus Umweltschutzgründen nachträglich abzudichten. Bei seinen Materialrecherchen wurde der auf Gradierwerke spezialisierte Architekt bei dem Flachdachspezialisten alwitra GmbH fündig. Für die bewährte Dach- und Dichtungsbahn EVALON® wurde ihm eine dauerhafte Seewasserbeständigkeit zugesagt.
Überzeugend vielseitig
Seit 48 Jahren überzeugt das Dachabdichtungssystem EVALON® der alwitra GmbH, Trier, weltweit auf über 160 Millionen Quadratmetern Flachdachflächen. Optimal aufeinander abgestimmte Produkte in einem bewährten System bieten in allen Klimazonen der Welt dauerhaft Schutz vor Wind und Wetter. In Kevelaer kam EVALON® dual zum Einsatz. Mit ihrer Hochpolymerlegierung aus Ethylen-Vinyl-Acetat-Terpolymer (EVA) und Polyvinylchlorid (PVC) als vollwertige Dichtschicht auf der Ober- und Unterseite steht EVALON® dual für die seit Jahrzehnten bewährte EVALON®-Qualität. Dank der mittigen Verstärkung erfüllt sie natürlich auch alle Anforderungen für die mechanische Befestigung. Der hohe Anteil an hochpolymeren Feststoffen sorgt für gleichbleibende Eigenschaften und eine enorm lange Lebensdauer. Wie alle EVALON®-Bahnen ist EVALON® dual aufgrund ihrer Bitumenverträglichkeit auch bei Dachsanierungen einsetzbar. Die Fügung der Bahnen untereinander erfolgt mittels Heißluft. Besonders praxisnah und sicher ist das große Angebot an Zubehör und Formteilen für die fachgerechte Ausbildung von typischen Dachdetails.
Neben der mittig mit Polyestergelege verstärkten EVALON® dual ist das Dachbahnensystem je nach Dachaufbau und Nutzung unterseitig mit Polyestervlies als EVALON® V, mit Glasvlies/Polyestervlies als EVALON® VG sowie kaschiert und mit unterseitiger Selbstklebeschicht als EVALON® VSK/VGSK erhältlich. Neben der Kennzeichnung mit dem CE-Zeichen als Dach- und Dichtungsbahn gemäß EN 13956 und EN 13967 liegen für alle EVALON®-Bahnen umfassende Umwelt-Produkt-Deklarationen (EPD) – erstellt vom renommierten Institut Bauen und Umwelt (IBU) e.V. – vor.
Ideal für mechanische Befestigung
Ausgeführt wurde die Abdichtung der fünf Satteldächer auf dem Gradierwerk durch den Dachdeckerbetrieb Grote GmbH & Co. KG aus Weeze. Da die Dach- und Dichtungsbahnen auf den Dachflächen mechanisch fixiert werden sollten, war die homogene EVA-Dachbahn mit Verstärkung die ideale Bahn für die geplante Abdichtung. Trotz des nicht so aufwändigen Dachaufbaus als Kaltdach waren auch bei den Dacharbeiten die Anforderungen durch die salzhaltige Luft zu beachten. Auf die Holzbrettschalung verlegten die Fachhandwerker zunächst ein Vlies als Brandschutzlage. Darauf folgte die Abdichtung mit EVALON® dual. Die im Saumbereich mit Edelstahlankern fixierten Bahnen wurden anschließend im Überlappungsbereich mit dem Handschweißgerät homogen gefügt. An den Firsten der Dächer fixierten die Dachdecker zusätzlich passend gekantete Verbundbleche aus Edelstahl. Mit einer durchgehenden Anschlussbahn konnten die Firste exakt ausgebildet und zusätzlich gegen Windsogkräfte gesichert werden.
Individuell gekantetes Dachrandprofil
Auch an den Dachrändern setzten die Fachhandwerker das hochwertige und rostfreie Edelstahl-Verbundblech von alwitra ein. Es wurde in Absprache mit dem Architekten zu einem individuellen Dachrandprofil gekantet. Zudem schnitten die Dachdecker den auf der Dachfläche zu fixierenden Schenkel segmentweise ein, um die Krümmung des Ortgangs aufzunehmen. Für den Übergang zwischen zwei gekanteten Verbundblechprofilen fertigten die Dachdecker zusätzlich Verbinder. Im Gegensatz zu den Dachflächen in schiefergrau sind die Dachrandprofile auf Wunsch des Architekten in hellgrau, um die besondere Muschelform des Daches zu akzentuieren.
Neben den fünf Satteldachflächen dichteten die Dachhandwerker auch die Dächer der beiden Türme und des „Abdrift-Pavillons“ mit der Dach- und Dichtungsbahn EVALON® dual ab.
Seeluft in Kevelaer
Auch wenn der Pilger- und Solepark erst in 2020 offiziell eröffnet, lässt sich schon jetzt das besondere Mikroklima des ungewöhnlich geformten Gradierwerkes in Kevelaer genießen. Denn schon kurz nachdem die Schwarzdornzweige in die Holzrahmen eingeflochten waren, rieselte die Sole über die Ausfachungen und sorgte für eine zarte Meeresbriese am Niederrhein.
Bautafel:
Bauherr: Stadtwerke Kevelaer
Architektur: Groger Grund Schmidt Architektengemeinschaft. Kassel
Dach: Grote GmbH & Co. KG, Weeze
Material: EVALON® dual, schiefergrau; Edelstahl-Verbundbleche